Hautnah am Elefanten

Zwischen Kaffee und Kilimandscharo - naturnaher Urlaub auf einer ungewöhnlichen Lodge im Hochland Tansanias.


Ständig ist Meryl Streep dabei. "Ich hatte eine Farm in Afrika" - die Worte drängen sich leider auf. Und schon ist er da, der Kolonialismus light, mit dem wir auch jene Bilder von atemberaubender (und oskar-gekürter) Schönheit verklären. Dass es sich im Film um eine wahre Geschichte handelt, erlebt und aufgeschrieben von der dänischen Schriftstellerin Tania Blixen im kolonialen Afrika des gerade erwachten 20. Jahrhunderts, macht es nicht wirklich besser. Der Traum von der Urbarmachung eines bis dahin ungezähmten wilden Landes im Herzen Ostafrikas, der Traum von Reichtum durch Kaffeeanbau und durch das große Privileg, weiß zu sein - all das brachte eine Handvoll Europäer zum Kilimandscharo. Für die meisten dieser 'Pioniere' (unter ihnen Tania Blixen, deren Farm im angrenzenden Kenia lag) ist der Traum zerplatzt, denn Afrika ließ sich gottlob nicht so einfach zähmen.

Heute leben neben der schwarzen Bevölkerung nur noch wenige Afrika-vernarrte weiße Farmer, die weder harte Arbeit noch die Unberechenbarkeit von Flora und Fauna scheuen. Zu diesen Unverdrossenen zählt das deutsche Ehepaar Renate und Udo Marahrens. Einige hundert Höhenmeter oberhalb des Lake Manyara, wo tausende von Flamingos Statisten für die schönsten Szenen von 'Out of Africa' spielten, liegt ihre Kaffee-Farm 'Shangrila'. Eine buckelige Lehmpiste schlängelt sich hinauf, gesäumt von Buschdickicht und Akazienwäldern, belebt von Pavianen, Buschböcken und dem ein oder anderen Leoparden.
Das 900 Hektar große Anwesen könnte kaum malerischer liegen: geschmiegt an sanfte Hügelketten, (die paradoxerweise schon mal an badische Weinberge erinnern) und unmittelbar vor Afrikas größtem Naturschatz, dem Ngorongoro-Krater - völlig zu Recht auch 'achtes Weltwunder' genannt.

Kaffeeanbau ist auch in Zeiten modernen Landbaus hart und je nach Wetterlaune beileibe nicht immer von Erfolg gekrönt. Deshalb hat sich Renate Marahrens ein zweites 'Standbein' zugelegt: Auf 'Pratima', dem am schönsten gelegenen Teil ihrer Farm, führt sie eine kleine Lodge, ein Gästehaus in der Tradition der weißen Siedler. Auf 1800 m bewirtet sie in zwei kleinen Bungalows bis zu 15 Gäste. Inmitten afrikanischer Wildnis weht hier ein unaufdringlicher Hauch von Luxus, der trotzdem nie ganz vergessen läßt, daß man in Afrika ist. Gepaart mit dem dynamischen Charme der Hausherrin und der uneingeschränkten Aufmerksamkeit des 10-köpfigen (!) Personals, das einem jeden Wunsch von den Augen abliest, herrscht eine so gelassene Atmosphäre, daß auch der gestreßteste Westeuropäer zur Ruhe kommt. Fast ohne schlechtes Gewissen, denn bezahlte, sichere Arbeitsplätze sind hierzulande nach wie vor rar.
Die 'Kifaru'-Lodge (benannt nach dem Kisuaheli-Wort Kifaru für Nashorn) ist noch junges Kleinod unter den traditionsreichen Lodges Tansanias. Hier hinauf kommt, wer sich jenseits des Massentourismus bewegen und das Land auf eigene Faust entdecken will. (Mit der für jeden geltenden Einschränkung, daß sich Busch und Steppe nicht ohne Führer und das unverwüstliche Fahrgestell eines Geländewagens erobern lassen.) Die Lage zwischen Kilimandscharo und Ngorongoro-Krater ist einzigartig. Nirgendwo sonst auf der Erde gibt es einen solchen Artenreichtum auf solch begrenzter Fläche wie in der 'Caldera', dem 22 Quadratkilometer großen Krater-Inneren. Das Klima ist unafrikanisch mild und der Malaria- Mücke ist ob der Höhe schlichtweg die Luft zu dünn!

Ob Safari, Jagdfieber oder einfach der Wunsch nach Erholung fernab der 'Zivilisation': jeder Gast bekommt auf Pratima, wonach es ihn verlangt, Essen vom Feinsten inbegriffen. In keinem 5 Sterne-Hotel könnte die Verpflegung frischer sein. Alles was in der Kifaru-Lodge serviert wird, stammt aus eigener Produktion. Vom Käse bis zum Spargel, von der Mango bis zum Rindfleisch. Und weil das Land so fruchtbar ist, treffen sich auf einer üppigen Gemüseplatte schon mal solch saisonale Gegensätze wie Bohnen, Rotkohl und Spinat, frischer Spargel und rote Bete. Appetit ist garantiert, dafür sorgt die Höhenluft und das Kochtalent von Renate Marahrens. Schon lange wundert sie sich nicht mehr darüber, wenn jemand ein drittes oder viertes Mal zugreift: "Jeder, der ein paar Tage auf Pratima verbringt, ißt auf einmal für drei. Erfeulicherweise ohne Folgen: hier oben verbraucht man automatisch mehr Kalorien."
Solch paradiesische Zustände sind nicht ganz billig, aber in Relation zu dem, was sie zu bieten hat, ist die Kifaru-Lodge noch ein echter Geheimtip. Rechtzeitige Buchung vorausgesetzt. Wer eine mehrtägige Safari machen will, muß sich frühzeitig anmelden. Denn mehrere Tage Buschabenteuer setzen eine generalstabsmäßige Organisation voraus.

Hausherr Udo Marahrens ist zwar selber Jäger - aber mit großem Respekt für die Tierwelt Afrikas. Geschossen wird ausschließlich nach staatlichem Abschußplan und zur 'crop-protection': dann, wenn es dem Kaffee oder den Blumenfeldern (man erntet die Samen zm Verkauf) an den Kragen geht.
Trotzdem würde er auf die notorischten 'Plattmacher' seiner Felder niemals feuern - "Elefanten schießt man nicht." Und das, obwohl auf Pratima nahezu jede Nacht 'Tembo'-Alarm ist. Bis zu einem Dutzend Dickhäuter trauen sich bei Einbruch der Dunkelheit aus dem Busch, zupfen sich die zartesten Triebe aus den Feldern, oder schubbern sich genüßlich an den als Windbrecher in die Kaffereihen gepflanzten Bäume. Zur Abschreckung steht eine kleine Armee schwarzer Askaris bereit, die statt mit Gewehrkugeln durch Geklapper und Geschrei die Tembo-Familien in den Busch zurückscheuchen.
"Schade", denkt da mancher Gast, der sich - Kolonialismus light oder nur revisited? -  just dem zweiten oder dritten sundowner (vorzugsweise Gin-Tonic) am offenen Kamin widmet: "Von mir aus hätten sie ruhig noch näher rankommen können."
Kleiner Tip: Wer nett fragt, der darf auch selbst mal ein bißchen Lärm machen - hautnah am Elefanten.